Nach fast einem Jahr ziehen die ersten Bewohner aus den vom CaFée mit Herz (CmH) seit Oktober 2020 angemieteten Wohnungen wieder aus. Es ist Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen, aus Sicht der Bewohner und der sie in dieser Zeit betreuenden CmH-Sozialarbeiterin Bianca Platz-Wenck.
Seit Oktober 2020 bezogen zehn Menschen die „Land in Sicht!“-Wohnungen. Eine Person wurde ins Betreute Wohnen vermittelt, eine zog zu ihrem Partner, eine in eine eigene Wohnung und eine weitere möchte ihr Leben auf der Straße wieder aufnehmen.
Fünf der Bewohner haben sich mit Unterstützung so weit stabilisiert und ihr Leben neu aufgestellt, dass einem Neustart inklusive des Bezugs einer eigenen Wohnung nichts mehr im Wege steht. Die Koffer sind bereits für die in Kürze anstehenden Umzüge gepackt, die Mietverträge für die Anschlusswohnungen unterschrieben.
Bewohner Andreas, der in diesen Tagen „Land in Sicht!“ verlässt, spricht von einem Jahr im Wohnprojekt, das sein Leben auf den Kopf gestellt hat: „Fast ein Jahr ist es her, dass mir das CaFée mit Herz nach jahrelanger Obdachlosigkeit die Chance meines Lebens eröffnet hat – mit dem Ziel, mein Leben auf eine solide Grundlage zu stellen. Wobei ich unendlich viel Hilfe vom Team unserer Sozialarbeiter bekommen habe, eine Wohnung im neugegründeten Wohnprojekt für den Zeitraum für ein Jahr zu erhalten. Das Jahr war nicht leicht für mich, weil es auch einen vollkommenen Gesundheitscheck beinhaltet hat – und Ärzte leider nicht so mein Ding sind. Mit etwas Zuspruch habe ich auch diese Hürde genommen. Nacheinander arbeitete ich mich durch die Altlasten meines Lebens, und darauf bin ich heute stolz. Nun stehe ich wenige Tage vor dem Umzug in meine eigene Wohnung und kann es kaum erwarten, sagen zu können: meins. An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei allen bedanken, die mir bei diesem Weg zur Seite gestanden haben.“
Sozialarbeiterin Bianca Platz-Wenck: „Viele von unseren Wohngästen haben in ihrer Vergangenheit die Erfahrung gemacht, durch viele Maschen zu fallen, um sich letztlich mit psychischen Verletzungen und Narben perspektivlos auf der Straße wiederzufinden. Es hat sich deutlich gezeigt, dass die eigenen vier Wände eine Voraussetzung sind, um sich selbst und das eigene Leben neu zu sortieren. Erst der Schutzraum Wohnung und die engmaschige sozialarbeiterische Begleitung eröffnete jedem und jeder einzelnen die Möglichkeit, individuelle und neue tragfähige Lebensperspektiven zu entwickeln. Und das haben sie getan, unsere Wohngäste! Viele von ihnen haben sich ärztlich behandeln lassen und gesundheitlich soweit erholt, Tagesstrukturen geschaffen, ihre Papiere in Ordnung gebracht, Behördenangelegenheiten und Finanzen geregelt, haben ihre persönlichen Themen bearbeitet, sich reflektiert, sich ihren Schulden gestellt und kontinuierlich an Lösungen und Perspektiven gearbeitet. Auch hinsichtlich einer beruflichen Perspektive hat sich viel getan. Es wurden Weiterbildungen abgeschlossen, sowie eine Ausbildung begonnen. Ein Wohngast hat einen 450-Euro-Job aufgenommen, einer beginnt eine Umschulung. Denen, die nun ausziehen, wünsche ich mehr als alles Gute. Ich danke ihnen von Herzen, dass ich sie ein Stück begleiten durfte und bin mir sehr sicher, dass jeder Einzelne seinen ureigenen Weg gehen wird.“
Das CaFée mit Herz-Wohnprojekt „Land in Sicht!“ arbeitet in Anlehnung an das Konzept „Housing First“. Im Kern besagt dieses sozialpolitische Modell, dass nur mehr oder weniger bedingungslos zur Verfügung gestellter eigener Wohnraum als Grundvoraussetzung ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, und folglich nur so Wohnungs- und Obdachlosigkeit nachhaltig wirksam bekämpft werden kann.
„Housing First“-Projekte gibt es zum Beispiel in den USA und in mehreren europäischen Ländern. Dort wird das Konzept etwa in der Wissenschaft als echte Alternative zu den für die betroffenen Menschen sonst immer mit Auflagen versehenen bestehenden herkömmlichen Systemen der Not-, Gemeinschafts- und vorübergehenden Unterbringung gesehen.