Seit Oktober 2020 hat das CaFée mit Herz 6 Wohnungen angemietet, in denen derzeit 7 Menschen leben. Gemäß dem Prinzip und sozialpolitischen Modell „Housing First“ vergeben wir so an ausgewählte Gäste bedingungslos Wohnraum und stehen den Bewohnern mit engmaschiger Sozialarbeit zur Seite.
Wir haben dem Wohnprojekt mittlerweile einen Namen gegeben: „Land in Sicht“ – man ist zwar noch auf See, und auch wenn noch ein Stück des Weges zurückzulegen ist, so ist doch fester Boden unter den Füßen nah. Tina (Name von uns geändert), eine der ersten Bewohnerinnen, hat uns nun folgenden, von ihr initiierten und formulierten Bericht aufgeschrieben, den wir verwenden dürfen:
„…Mein Name ist Tina, ich bin 55 Jahre alt und lebe seit Oktober 2020 im Wohnprojekt „Land in Sicht!“ des CaFée mit Herz. Dort bewohne ich eine der Wohnungen.
Nach meiner Zeit als obdachlose Frau ist es mir wichtig, dass ich nun einen Rückzugsort habe, der zum einen sicher ist, mir jederzeit zur Verfügung steht und zum anderen nicht – wie früher in der Notunterkunft – von mir tagsüber verlassen werden muss.
Ich koche und backe gern und kann das nun wieder machen. Vorher musste ich die Essensausgabestellen nutzen und mir die Zeit auf der Straße vertreiben. Als Frau war es nochmals schwieriger. Ich habe oft Stellen genutzt, wo ich mich aufhalten konnte, ohne als Obdachlose erkannt zu werden. Das war sehr anstrengend, ermüdend und zermürbend.
Insgesamt war es im Wohnprojekt von Anfang an eine Zeit der Erholung vom anstrengenden Leben einer obdachlosen Frau. Und es war eine Zeit, in der ich neue Perspektiven für mein Leben entwickelt habe. Innerlich kam ich hier zur Ruhe und blicke nun gestärkt und wieder optimistisch in die Zukunft.
Viele Problematiken und Themen, die ich hatte, ging ich in der Zeit an, und konnte – mit Unterstützung – Lösungen finden, wie zum Beispiel Schuldenregulierung, Wiederherstellung meiner Gesundheit, Entwicklung einer beruflichen Perspektive. Ich konnte mich insgesamt neu sortieren und auch meine Zeit als Obdachlose verdauen. Ich machte in der Zeit eine Fortbildung als Seniorenhelferin, die ich inzwischen erfolgreich abgeschlossen habe. Diese wird mir in Zukunft den Lebensunterhalt sichern. Ich werde dann keine staatliche Unterstützung mehr benötigen, was mich stolz und froh macht. Derzeit suche ich mit Hilfe des CaFée mit Herz eine eigene Wohnung und auch eine Arbeitsstelle. Dann starte ich neu durch!
Es gibt dabei Unterstützung durch eine Sozialarbeiterin, die mich in meinen Angelegenheiten beraten und begleitet hat und mir mit Rat und Tat immer zur Seite stand. Ich bin dem CaFée mit Herz und insbesondere der Sozialarbeiterin dankbar für die Chance, meinem Leben noch einmal eine positive Wendung zu geben. Für mich ist das Wohnprojekt ein Sprungbrett. Ohne die Zeit dort hätte ich meinen Weg nicht finden können…“
Wir vom CaFée mit Herz freuen uns sehr über diese Zeilen. Der Bericht von Tina beschreibt sehr gut, welchen positiven Einfluss unsere Wohnungen haben und wie es gelingen kann, den dort wohnenden Menschen wieder eine eigene Perspektive zu geben. Wir sind übrigens gerade dabei, für Tina in einer anderen Stadt Deutschlands (sie möchte dorthin umsiedeln) eine neue Wohnung zu finden – und es sieht auch gut dafür aus.
Es wäre schön, wenn die Stadt Hamburg endlich die Idee von „Housing First“ aufgreift, und nicht nur das gerade angedachte Pilotprojekt schnellstmöglich umsetzt – sondern es dann nicht dabei belässt. Sowohl unser hier beschriebenes Wohnprojekt als auch die Erfahrungen aus unseren Hotelunterbringungen von Obdachlosen haben gezeigt, welch stabilisierenden Einfluss eigene vier Wände auf die Menschen haben. Es ist dann Land in Sicht, so hoch die Wellen des Lebens auch schlagen mögen.