Als es den Süddeutschen vor zwei Jahren in den hohen Norden zog, hatte er schon fast alles verloren. Warum Michael, heute 52, mit seinem letzten Geld ausgerechnet im teuren Hamburg sein Glück suchte, bleibt unklar. Am Anfang hatte er auch weiterhin nur Pech, wie schon lange Jahre zuvor.
Michaels Geschichte – bzw. der Teil, der hier erzählt werden soll – beginnt vor zwölf Jahren in der Nähe von Stuttgart. Er hat sich als Kfz-Mechaniker selbstständig gemacht, zusammen mit einem Bekannten. Es läuft ganz gut, aber 2009 wirft ihn ein Schlaganfall aus der Bahn. Zwei Jahre lang hält er noch durch. Die Unternehmung allerdings geht in der Zeit in die Brüche. Betrug des Firmenpartners steht im Raum. Michael haftet mit – und verliert so seine wirtschaftliche Existenz.
Was bleibt: sind vor allem Schulden. Auch seine Ehe übersteht diese Krise nicht. Von Familie und Freunden kapselt Michael sich ab, führt in Baden-Württemberg jahrelang ein – notgedrungen – unstetes Leben. Fast alles Geld ist weg. Letzter Ausweg: Hamburg – warum auch immer. 2019 kommt er im Norden an. Zur Begrüßung werden ihm gleich erst einmal sämtliche Papiere geklaut. Nun scheint alles verloren, die letzte Kraft ist weg. Michael entscheidet sich einmal mehr dafür: zu verschwinden, jetzt in die Obdachlosigkeit. Er macht Platte, sein Stammplatz ist in der Nähe der Brücke 6 an den St. Pauli Landungsbrücken. Was soll da noch kommen?
Vom Hafenrand ist es nicht weit zum CaFée mit Herz. Wie Hunderte andere jeden Tag kommt Michael immer wieder zum Duschen, Essen oder zur Kleiderkammer in die Seewartenstrasse. Und am Ende auch in die Sozialsprechstunde. Michael hat kein Vertrauen mehr in das System. Aber im Nachhinein besehen leitet dieser erste Schritt sein neues Glück im Unglück ein.
Mit am Anfang viel und dann zunehmend weniger Unterstützung kann er alles neu beantragen und somit seine Papiere Schritt für Schritt bereinigen: Ausweis, Konto, Sozialleistungen, Krankenkasse. Mit dieser Ausstattung ist sogar eine private Unterkunft mit Meldeadresse und ordentlichem Mietvertrag zu vermitteln. Das hat zwar nicht im ersten Anlauf geklappt. Aber schlussendlich wohnt Michael nun in seinen eigenen vier Wänden und hat einen Teil seines alten, selbstständigen Lebens wieder. Zu tun gibt es auch für ihn: Michael arbeitet im CaFée mit Herz als ehrenamtlicher Helfer mit. Das alles hat er mittels seines im Verlauf wiedergewonnenen Vertrauens, mit ein bisschen Hilfe und mittels seiner auch über die Freiwilligenarbeit gewonnenen neuen Stärke selbst erreicht. Und die Geschichte geht sogar noch weiter.
Der Ehrenamtliche Michael sitzt also Ende 2020 in seinem eigenen Zimmer mit Mietvertrag. Er hat – Ex-Platte Brücke 6 –  schon jetzt viel gewonnen. Das CaFée mit Herz wiederum unterhält hier auf St. Pauli möglichst gute Kontakte in der direkten Nachbarschaft. Auch zu Unternehmen, etwa zur Solartechnikfirma Enerparc. Die bieten Michael auf Nachfrage dankenswerterweise spontan ein Praktikum schon zum Januar 2021 an. Immerhin hat er ja eine solide technische Ausbildung, vielleicht könnte er sich künftig um den Fuhrpark der Firma kümmern. In einem ersten Schritt geht es sowieso nur darum, sich ein wenig über allgemeine Mitarbeit im Büro gegenseitig kennenzulernen.
Michael sagt zu. Er behält in der Zeit des Praktikums die Anbindung an die Sozialarbeit vom CaFée mit Herz. Er gewinnt noch mehr Vertrauen. Es läuft gut mit der Arbeit. Und Enerparc bietet zum 01. März 2021 einen Arbeitsvertrag an.
Michael schlägt einmal mehr zu, und sagt nun: „Ich bin dem CaFée mit Herz für die Unterstützung und enge Begleitung  sowie der Firma Enerparc für diese Chance sehr dankbar und freue mich auf meinen neuen Weg“.
Wir vom CaFée mit Herz finden: ganz große Klasse! Wir freuen uns für Michael und drücken ihm alle Daumen. Er kann stolz auf sich und seine Motivation sein. Uns hat es gezeigt, dass Obdachlosigkeit keine Endlosschleife sein muss.