05. März 2003
Obdachlose raus! SPD in Hamburg-Mitte will Begegnungsstätte für Arme und Obdachlose aus St. Pauli verbannen.
Von Susanne Witt-Stahl


Seit drei Jahren gilt das CaFée mit Herz als sozialer Hafen für Menschen, die in den harten Verteilungskämpfen um Arbeit und bezahlbaren Wohnraum Schiffbruch erlitten haben.
Nun soll die Begegnungsstätte auf dem Gelände des ehemaligen Hafenkrankenhauses ihre Pforten schließen. Das fordert jedenfalls die SPD-Fraktion vom Bezirk Hamburg-Mitte und brachte letzten Monat einen entsprechenden Antrag in die Bezirksversammlung ein, der – unterstützt von CDU und Schill-Partei – eine klare Mehrheit fand. In der Antragsbegründung hieß es: „Die Präsenz von Obdachlosigkeit und die daraus resultierenden Belastungen für die Wohnbevölkerung hat ein Ausmaß erreicht, das die Toleranz und Akzeptanz für diese Hilfe im Stadtteil gefährdet.“

Einige Wochen zuvor hatte die Behörde für Soziales und Familie dem CaFée mit Herz bereits den Zuschuss von 50 000 Euro für ein Neubau-Vorhaben gestrichen, auf das die Betreiber dringend angewiesen sind, um den Ansturm von mehr als 100 Bedürftigen täglich zu bewältigen. Pünktlich zur Jubiläumsfeier der Begegnungsstätte verpasste der Bezirk Mitte dem Trägerverein die nächste Breitseite und lehnte seine Bauanträge ab. Die Pläne wiesen eine Überschreitung der imaginären Baugrenze von 27 Quadratmetern auf. Und kaum hatte die Baubehörde den sieben Bezirken die Verteilung von Geldern an Selbsthilfeprojekte überantwortet, setzte Hamburg-Mitte nach und strich der Initiative auch noch die zweite Hälfte der bewilligten Zuschüsse. Die vorläufige Verhinderung des Neubaus könnte das Ende des CaFées bedeuten, denn in einigen Monaten sollen die Betreiber die Räume an einen Nachmieter abtreten.
Die fieberhaft vorangetriebene Dezentralisierung der Armut in Hamburg, die mit der Zwangsauflösung des Bauwagenplatzes „Bambule“ Ende letzten Jahres einen vorläufigen Höhepunkt fand, hat handfeste Gründe: Die Stadt bewirbt sich um die Ausrichtung der Sommer-Olympiade 2012. Die schmuddelige Reeperbahn soll zur noblen Amüsiermeile aufgemotzt werden – auf der Fest-Spielwiese der Völker passen Obdachlose nicht mehr ins Bild.
Aber es mehren sich Stimmen des Protests: „Die Begegnungsstätte ist noch einer der wenigen Orte der Wärme in dieser immer kälter und herzloser werdenden Stadt“, mahnt der Ortsvereinsvorsitzende vom ver.di-Fachbereich Medien Rolf Becker, „die Hilfseinrichtungen gehören dorthin, wo die Armut zu Hause ist.“ Der Schauspieler organisiert seit Jahren den gewerkschaftlichen Widerstand gegen den sozialen Kahlschlag in der reichsten Stadt Europas.
Holger Hanisch, Geschäftsführer vom CaFée mit Herz, bleibt eisern: „Egal, was passiert – wir werden das Gelände des Hafenkrankenhauses nicht verlassen.“ Der kampferprobte St. Paulianer, der das Projekt mit seinen ehrenamtlichen Helfern mühsam am Leben hält, hat bereits mehr als hundert Solidaritätsunterschriften von Gewerbetreibenden aus dem Stadtteil gesammelt. Auch die CaFée-Nutzer setzen sich zur Wehr gegen die Kehraus-Politik der „Asozialdemokraten“ – wie viele von ihnen die SPD-Fraktion vom Bezirk Mitte nennen – und organisieren wöchentliche Protestmärsche. Der nächste findet am Rosenmontag statt. „Zusammen sind wir der große Drache“, heißt es in ihrem Aufruf, „der die bösen Geister der Ausgrenzung vertreiben kann.“