Der CaFée mit Herz e.V. ruft gemeinsam mit sechs anderen Hamburger Einrichtungen für obdachlose und sozial bedürftige Menschen dazu auf, in der Coronakrise endlich eine adäquate medizinische Behandlung, sonstige Betreuung und Schutz für Menschen ohne Wohnung und Krankenversicherung zu gewährleisten. Der Text des Aufrufs im Wortlaut:
+++ Wir* fordern die sofortige Einrichtung von Corona – Infekt
Praxen für obdachlose Menschen und Menschen ohne
Krankenversicherung sowie eine sichere Unterbringung inklusive
adäquate medizinische Betreuung in Verdachts- und
Infektionsfällen, um die Ausbreitung des Covid-19 Virus zu
verlangsamen +++
Seit Mitte März ist das Hilfesystem für obdachlose und bedürftige Menschen nahezu
lahmgelegt, denn viele Einrichtungen der Obdachlosenhilfe (Tagesstätten, medizinische
Praxen etc.) haben geschlossen oder ihr Angebot stark einschränkt. Hinzu kommt die
ständige Gefahr, sich mit dem Corona Virus zu infizieren. Obdachlose Menschen sind
aufgrund häufig vorliegender chronischer Vorerkrankungen und einem geschwächten
Immunsystem besonders gefährdet, sich mit dem Corona Virus zu infizieren und schwere
Krankheitsverläufe zu erleiden. Andererseits werden sie zu Multiplikatoren, da es keine
Schutzräume, Isolationsmöglichkeiten, Wohnmöglichkeiten und intensive medizinische
Versorgungsmöglichkeiten gibt.
Schätzungen gehen von 200.000 bis 600.000 Menschen in Deutschland ohne gültige
Krankenversicherung aus. Auch in Zeiten vor Corona hing ihre Behandlung schon immer
vom Wohlwollen und dem Engagement einzelner Ärzte und Krankenhausmanager ab. In
Zeiten der Coronakrise jedoch herrscht in Deutschland in vielen Arztpraxen und Kliniken
medizinischer Ausnahmezustand. So mehren sich derzeit Berichte von Menschen ohne
Versicherungsschutz, die in Krankenhäusern abgewiesen und nicht behandelt werden.
Der Zugang zu Coronatests darf jedoch nicht am Versicherungsschutz scheitern!
Irina Götz, Internistin, sagt: „In einer vulnerablen Gruppe wie die, der Gruppe der Menschen
ohne Obdach, wäre es infektiologisch sogar geboten, diese Menschen ständig, auch
symptomlos, und deren Behandler abzustreichen. Viel mehr noch als die normalen
Praxispatienten. Die Stadt Hamburg hätte längst anonyme Krankenscheine, ähnlich wie
Berlin es durchführt, autorisieren müssen, damit in Regelpraxen mit Diagnostikmöglichkeiten
und Abstrich Möglichkeiten oder in eigens geschaffenen Praxen behandelt werden könnte“.
Der eingeschränkte Zugang zu Gesundheitsversorgung in Abhängigkeit vom
Aufenthaltstitel und Sozialleistungsanspruch kann in der momentanen Lage über
Leben und Tod entscheiden.
Wir fordern daher:
Ein bundesweites und sofortiges kommunales Versorgungskonzept
Einrichtung von Infekt-Praxen, exakt dem Standard der eingerichteten Infektpraxen
und als systemrelevant eingestuft, für wohnungslose Menschen, unabhängig von
Nationalität, Aufenthaltsstatus und Sozialversicherung, um notwendige
Behandlungen dort durchzuführen
Vorübergehende Unterbringung in Wohneinheiten (z.B. Hotels, Pensionen,
Jugendherbergen) zur Isolation inklusive medizinisch-ärztlicher Betreuung und
Kontrolle bei Infektionen, auch bereits im Vorfeld einer möglichen CoronavirusInfektion
Bei einem positiven Coronavirus-Test adäquate medizinische Versorgung
Es ist uns allen unverständlich, dass die Gesundheits- und Sozialbehörden jetzt nicht alles
dafür tun, den Zugang zum Gesundheitssystem und zu Hilfsangeboten voraussetzungslos
und unbürokratisch für alle zu ermöglichen. In Zeiten einer tödlichen Pandemie ist das
verantwortungslos. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gehört zu den Grundrechten
eines Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik
Deutschland. Wir* fordern die Behörden auf, JETZT zu handeln.
Wir*
Alimaus mit Kältebus und Gesundheitsmobil
Café Augenblicke
Obdachlosentagesstätte MAhLZEIT
Bergedorfer Engel e.V.
Hamburger Gabenzaun e.V.
CaFée mit Herz
Leben im Abseits e.V.